Jürgen Vedder ist bei Mifuma nicht nur Geschäftsführer: Er ist auch speziell für die Kaninchenfutter verantwortlich. Und er ist selbst Kaninchenzüchter. Da uns gerade jetzt wieder vermehrt Fragen zur Fütterung und Aufzucht der Jungkaninchen erreichen, haben wir das zum Anlass genommen, Jürgen Vedder nach seinen Empfehlungen für die Jungkaninchen-Aufzucht zu fragen!
Herr Vedder, Sie haben Deutsche Riesen wildfarben. Wie läuft es bei Ihnen mit der Zucht und mit der Aufzucht?
Ich kann mich nicht beklagen. Die Zuchtsaison läuft bisher gut. Ich habe zurzeit 6 Häsinnen mit insgesamt 43 Jungtieren.
Da haben Sie aber bereits früh im Jahr mit der Zucht begonnen.
Für einen Züchter mit Deutschen Riesen liege ich gerade richtig in der Zeit. Bei Deutschen Riesen gilt das alte Sprichwort: Die Jungen sollten die Weihnachtsglocken läuten hören. Das haben bei mir nicht alle Jungtiere. Aber das geht zeitlich in Ordnung. Und bei den kleineren Rassen startet die Zucht ja erst etwas später.
OK. Die Aufzucht ist also bei Ihnen schon in vollem Gange. Dann lassen Sie uns doch mal an Ihrem Fütterungskonzept teilhaben. Wie sieht ein Tag im Stall bei Ihnen aus? Was wird wann und wie gefüttert?
Vor der Arbeit führt mein Weg morgens in den Stall. Ich kontrolliere kurz, ob die kleinen Kaninchen auch alle noch im Nest liegen und nicht versehentlich von der Mutter beim Säugen aus der Wurfbox rausgezogen wurden. Dann fülle ich generell alle Tränken auf und gebe allen Tieren Heu und Knabber-Max, wenn die Vorräte denn aufgebraucht sind.
Warum sollen da erst die Vorräte aufgebraucht werden?
Man sollte doch darauf achten, dass den Tieren immer frisches Heu zur Verfügung steht. Richtig, frisches Heu. Wenn jemand aber noch Heu-Reste in der Raufe hat und munter weiter neues Heu drauf stopft, steht den Tieren eben kein frisches Heu zu Verfügung. Da beginnt für mich Futtermittel-Hygiene. Das Heu sollte auch eher etwas lockerer in der Raufe sein. Dann gehen die Tiere lieber ans Heu, als wenn es press in die Raufe gestopft wurde. Das Problem tritt aber auch eher bei Einzeltieren als bei einer Häsin mit Jungtieren auf. Nur da sollte man generell schon ein bisschen drauf achten.
Und wie geht es dann weiter?
Das hängt ganz vom Alter der Jungtiere ab. Im Durchschnitt fressen die Jungen ab dem 17. Lebenstag am Napf der Mutter mit. Von diesem Zeitpunkt an muss man speziell für die Jungtiere füttern. Vorher sollte man darauf achten, dass man sich auf eine gute Versorgung der Althäsin konzentriert: Sie ist durch ihre Muttermilch die Versorgungquelle für die Jungkaninchen. Und sie muss eine Höchstleistung im Stall erbringen, bei der wir sie unterstützen können.
Was steht auf dem Futterplan der laktierenden Althäsin?
Bei mir bekommt die laktierende Häsin morgens Kombi zusammen mit ca. 10-15 g Linamix. Beide Futter werden ordentlich in einem Futterbecher miteinander vermengt, denn die Tiere fressen Linamix sehr gerne. Linamix ist ein Extrudat aus Leinsaat. Extrudate sind weicher verpresst als herkömmliche Pellets, das heißt, es entwickelt sich schneller ein Abrieb, was ich in diesem Fall forciere. Der Linamix-Abrieb bedeckt so auch das herkömmliche Futter und die Häsin hat einen verstärkten Anreiz zu fressen. Dazu gibt es hin und wieder mal Möhrengrün, mal etwas Apfel oder Löwenzahn.
Aber wir empfehlen doch in unseren Futterbroschüren zur Zucht das Mifuma Zucht + Schau. Warum vertrauen Sie nicht auf dieses Futter?
Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Zucht + Schau ist ein sicheres, sehr gutes Futter für die Tiere in der Zuchtzeit. Und das könnte ich ebenso füttern wie meine Mischung aus Kombi und Linamix. Das eine schließt das andere nicht aus! Von der positiven Wirkung der extrudierten Leinsaat auf das Verdauungssystem bin ich schon seit Jahren überzeugt. Linamix versorgt die Tiere mit natürlichen Eiweißbausteinen. Diese sind für Wachstum und Milchbildung lebenswichtig. Der Energiestoffwechsel der Tiere wird durch hochwertige Fette und Öle und eine spezielle Zuckerform verbessert. Der hohe Gehalt an Vitamin E und organisch gebundenem Selen im Linamix stimuliert die Milchleistung und viele andere Stoffwechselvorgänge, die für Fruchtbarkeit und Zuchtleistung wichtig sind. Bei Zucht + Schau hat man alles in einem Produkt. Das ist insgesamt einfacher, aber ich kombiniere lieber. Das mache ich bereits während der gesamten Trächtigkeit der Häsin. Das ist Geschmackssache. So kann ich individuell die Verhältnisse und Mengen von Kombi und Linamix abhängig vom Zustand der Häsin und der Wurfgröße anpassen. Meine Tiere erhalten das ganze Jahr über Futter in einer 5 mm Verpressung. Das möchte ich auch so lange wie möglich beibehalten. Zucht + Schau gibt es ausschließlich in einer 3 mm Verpressung.
Können auch Züchter von kleinen Rassen diese Kombination so einsetzen?
Nein, das können sie nicht. Die Idee an der Kombination eines Futters mit Linamix in der Zucht ist, dass man das Futter, welches man bereits in der Schausaison eingesetzt hat, auch für die Zucht verwenden kann. Das hieße für kleine Rassen nimmt man Basis oder Balance in Kombination mit Linamix und für mittlere Rassen setzen sie Plus und Linamix ein. Die Menge Linamix bemisst sich an dem Gewicht der jeweiligen Rasse. In der Trächtigkeit sollte man 2 g pro kg Körpergewicht und Tag rechnen.
Und warum setzen Sie nicht mehr Frischfutter ein?
Die Häsin braucht jetzt spezielle Nährstoffe, um die Milchleistung zu erbringen. Mineralien, Spurenelemente, Vitamine. Gezielte Bausteine wie Aminosäuren, um die Milchleistung zu steigern. Das schaffen Sie nicht, wenn Sie Berge von Grünfutter zufüttern. Ganz abgesehen davon, dass Sie damit auch den Verdauungstrakt belasten können. Von Kohlsorten würde ich in diesem Zeitraum ebenso die Finger lassen.
Sie gehen dann nur einmal täglich in den Stall um zu füttern?
Nein, das tue ich natürlich nicht. Davon würde ich auch jedem Züchter abraten, dessen Häsin kurz vorm Wurf ist oder gerade Jungtiere bekommen hat. Ich würde die Tiere aber auch nicht zu sehr stören. Nestkontrolle ja und immer mal wieder einen Blick in den Stall werfen; aber stört man die Häsin zu sehr, kann das auch extreme Konsequenzen haben.
Was kann denn passieren? Nennen Sie mal ein Beispiel.
Die Tiere haben ihren ganz eigenen Geruch. Bevor ich morgens in den Stall zu den Jungtieren gehe, würde ich mir beispielsweise niemals mit einer parfümierten Seife die Hände waschen und dann vielleicht eine Nestkontrolle machen. So irritieren Sie nur die Häsin. Und im schlimmsten Fall geht die Häsin nicht mehr zu ihren Jungen. Aber man sollte immer checken, ob ein Kleines neben dem Nest liegt. Bei einer Rasse, bei der man bereits im Winter mit der Zucht beginnt, sind kalte Temperaturen fatal. Gerade in den ersten Lebenstagen sollte man immer wieder kurz nachschauen, ob alles in Ordnung ist. Schauen heißt aber nicht im Stall rumfummeln. Eine kurze Überprüfung reicht. Die allermeisten Häsinnen wissen selbst am besten, was zu tun ist. Nachmittags gegen 18 Uhr gehe ich dann nochmal in den Stall. Dann bekommen die Tiere ihre Ration für die Nacht. Bei den laktierenden Häsinnen gibt es dann noch mal Kombi und Linamix. Und die Tränken müssen auch noch mal gecheckt werden. Denn auch frisches Wasser für die Häsinnen ist ein ganz wichtiger Faktor in der Laktation.
OK, aber was passiert, wenn die Jungen an den Napf der Mutter gehen?
Dann ist es an der Zeit, die Fütterung zu ändern. Egal bei welcher Rasse, der 17. Lebenstag ein guter Stichtag, um auf das Jungtierfutter umzusteigen. Zumindest wenn man die Häsin mit ihren Jungen in einem Stall hält, wie ich es mache. Es gibt auch Züchter, die die Häsin und die Jungen immer getrennt halten und die Häsin nur einmal am Tag zu den Jungtieren zum Säugen lässt. Da müsste man die Fütterung der Althäsin natürlich nicht anpassen.
Was füttern Sie denn dann?
Wir haben zwei Futter für die Jungtieraufzucht, die mit Kokzidioseschutz ausgestattet sind: EnteroCare mit einem speziellen Sicherheitskonzept und Forte mit einem Kokzidiostatikum. Ich persönlich verwende nur das EnteroCare, denn es ist in Punkto Sicherheit für den Magen-Darm-Trakt noch mal besser für die Jungtiere. Es ist besonders rohfaserreich, aber eiweiß- und kohlenhydratarm. Die zusätzliche Kombination mit geschützten mittel- und langkettigen Fettsäuren senkt den pH-Wert im Darm und die Darmflora wird verbessert. Dieses Futter bekommen die Häsin und die Jungtiere auch zwei Mal am Tag, morgens und am späten Nachmittag. Darüber hinaus gibt es nach wie vor immer frisches Heu und Knabber-Max zur Rohfaser-Versorgung. Beides dürfen auch die Jungtiere nach Belieben fressen. Auf Grün- bzw. Saftfutter verzichte ich in dieser Zeit ganz.
Ich möchte auch noch mal in aller Deutlichkeit sagen: Wenn man ein Futter mit Kokzidioseschutz einsetzt, sollten man das Futter nur pur an die Jungtiere füttern. Wer das Futter mit anderen Futtermitteln oder -komponenten mischt, verwässert die Wirkung. So schafft man sich im schlimmsten Fall Resistenzen im Stall, zumindest bei einem Kokzidiostatikum. Man sollte sich nicht von den Gedanken leiten lassen, dass das verhältnismäßig teure Futter länger vorhält oder die Mischung für das Auge des Züchters attraktiver wird. Sonst nehmen Sie lieber ein Futter wie unser Basis ohne Kokzidioseschutz.
Reicht denn das EnteroCare für die laktierende Häsin aus?
Tja, die Häsin erbringt in der Laktation wirklich Höchstleistungen. Selbst wenn die Tiere ab dem 17. Lebenstag mit an den Napf der Mutter gehen, so bleibt die Muttermilch bis zum Ende der 3. Lebenswoche wichtiger Bestandteil der Futterration der Jungtiere. Dementsprechend ist die Althäsin auch noch gefordert. Wenn ihr EnteroCare zur freien Verfügung steht, hat sie die Möglichkeit, sich zu nehmen, was sie braucht. Unterstützen kann man sie dennoch. Ich gebe der Häsin, auch wenn EnteroCare zum Einsatz kommt, immer noch Linamix einmal am Tag. Dieses Ergänzungsfutter dürfen die Jungtiere aber auf keinen Fall fressen. Das Futter hat für sie zu viel Energie. Ich habe die komfortable Lösung einer Wurfbox. Das heißt, die Jungen werden kurz in die Wurfbox „eingesperrt“ und in dieser Zeit kann die Mutter in Ruhe Linamix fressen. Linamix gibt man in der Laktation mit 2 g pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Für meine Riesen heißt das zwischen 20 und 25 g. Je nach Rasse sollte man sich die Menge abwiegen, damit man da ein Mengengefühl entwickelt. Hat man keine Wurfbox, kann man Linamix auch über einen Futternapf geben, den man der Häsin so hält, dass die Kleinen nicht drankommen.
Wie lange bleiben die Jungtiere bei der Althäsin?
Mit der 7. Lebenswoche sind die Jungtiere spätestens von der Althäsin abgesetzt – je nach Wurfgröße eher früher. Und dann sollte man sie auch von der Mutter trennen. Sonst hat diese nämlich zu viel Stress. Ich lasse die Jungen dann noch für einige Tage zusammensitzen, damit sie die Trennung von der Mutter besser überstehen. Die Jungen sollen durch die Trennung so wenig Stress wie möglich haben. Deshalb belasse ich sie in ihrer gewohnten Umgebung. Nach gut einer Woche setze ich die Jungen in Zweiergruppen. Da sind sie ungefähr 8 Wochen alt. In der 12. Lebenswoche beginne ich langsam mit der Umstellung des Futters von EnteroCare auf das Folgefutter. Bei mir ist das Folgefutter Balance. Die Futterumstellung dauert bei mir knapp 2 Wochen. Ich beginne zuerst mit einem ungefähren Mischungsverhältnis von 80 % EnteroCare und 20 % Balance. Und dieses Mischungsverhältnis passe ich dann langsam an, bis nur noch Balance in der Ration übrigbleibt. Erst in der 16. Lebenswoche setze ich die Kaninchen einzeln in die Bucht.
Die Gruppen-, Paar- und Einzelhaltung wie ich sie betreibe, soll an dieser Stelle nicht rüberkommen wie „die Patentlösung für alle Kaninchenzüchter“. Sie hat sich nur für mich in den letzten Jahren als gute Haltungslösung, gerade in der Absetz- und Umstellungsphase erwiesen. Das ist auch immer vom Stall als solchen abhängig, der Größe der Buchten und so vielen Faktoren mehr. Nur gerade die Absetzphase, die Trennung von der Mutter oder auch die Futterumstellung können zu Stress führen. Das sollte man im Hinterkopf behalten.
Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in Ihren Stall.